Homöopathie in der Schwangerschaft: Das Interesse vieler Frauen an naturheilkundlichen Behandlungen während der Schwangerschaft ist ein bereits seit langer Zeit bestehender Trend in der Medizin. Begünstigt wird diese Entwicklung durch das zunehmende Wissen über Nebenwirkungen synthetisch hergestellter Arzneimittel sowie durch Gynäkologen und Hebammen, die naturheilkundliche Therapien anbieten oder empfehlen. Auch wenn sich viele der mehr oder weniger harmlosen Beschwerden und Unpässlichkeiten während der Schwangerschaft wirksam mit homöopathischen Arzneimitteln lindern lassen, wird die Homöopathie von Kritikern immer noch als biologisch unplausibel eingestuft.
Stärkung der Lebenskraft – die Macht der Kügelchen
Die Homöopathie geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurück, der vor etwa 200 Jahren die Grundzüge dieser alternativen Heilkunde formulierte, die im Wesentlichen auf zwei Prinzipien beruht:
- 1. Ähnliches wird mit Ähnlichem behandelt. Wenn die Zwiebel Augen und Nase zum Laufen bringt, wie das bei einem Heuschnupfen der Fall ist, dann kann ein Heuschnupfen auch mit einer Zwiebel behandelt werden.
- 2. Homöopathische Arzneimittel werden schrittweise verdünnt und verschüttelt. Die Homöopathen bezeichnen diesen Vorgang als Potenzieren, der dazu führte, dass schließlich kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz im Arzneimittel mehr vorhanden ist.
Klingt (erstmal) komisch, oder?
Hahnemann hatte in einem Selbstversuch mit Chinarinde festgestellt, dass deren Einnahme bei Gesunden die gleichen Symptome auslöst wie das Wechselfieber. Er prüfte daraufhin die Wirkung verschiedener Substanzen auf gesunde Menschen, beschrieb die aufgetretenen Symptome als sogenannte Arzneimittelbilder und schloss daraus, dass Symptome, die einem Arzneimittelbild entsprechen, einer homöopathischen Therapie zugänglich sind. Um eventuelle Nebenwirkungen der Substanzen zu mildern, entwickelte er das Konzept systematischer Verdünnungen, wobei er feststellte, dass trotz immer stärkerer Verdünnung die homöopathische Wirksamkeit der verdünnten Substanzen erhalten blieb. Die Verdünnungen werden mit D, C und LM bezeichnet: D steht für Dezimalpotenzen, C für Zentesimalpotenzen und LM für 50 000. Für die Potenzen gilt: Bis D 6 spricht man von Tief-, bis D 12 von mittleren und darüber von Hochpotenzen. Die Ausgangsstoffe homöopathischer Arzneimittel können pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs sein. Außerdem gibt es Stoffe aus menschlichen oder tierischen Krankheitsprodukten, die sogenannten Nosoden.
Die Homöopathie definiert „Krankheit“ als eine „Schwächung der Lebenskraft“ oder der „Lebensenergie“, wobei die Symptome der Erkrankung ein individueller Ausdruck der geschwächten Lebenskraft ist. Heilung im homöopathischen Sinne bedeutet somit nichts anderes als „Stärkung der Lebenskraft“. Auch wenn das alles sehr geheimnisvoll klingt, die Homöopathie ist eine materielle Medizin, bei der das Arzneimittel meist in Form von Kügelchen, den sogenannten Globuli, die man auf der Zunge zergehen lässt, verabreicht wird.
Wie die Homöopathie bei Schwangerschaftsbeschwerden helfen kann
Während einer Schwangerschaft kommt es zu zahlreichen physiologischen Veränderungen. Aus den Veränderungen des Körpers können die typischen Schwangerschaftsbeschwerden resultieren wie zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, Schlafstörungen und Venenprobleme, deren Ausprägung individuell stark variieren kann. Viele dieser Beschwerden können risiko- und nebenwirkungsarm mit Homöopathika gelindert werden oder aber, sie stellen eine Ergänzung der klassischen schulmedizinischen Behandlung dar.
Für die Anwendung homöopathischer Arzneimittel bei Schwangeren haben sich angeblich besonders die Potenzen D/C 12 bewährt, höhere Potenzen sollten grundsätzlich nicht so häufig verabreicht werden, da sie eine längere Wirkdauer haben. Die Häufigkeit der Globulieinnahme, meist beginnend mit 3 x 4 Globuli pro Tag, richtet sich nach dem Befinden. Bei Zeichen einer Besserung werden die Abstände zwischen den Einnahmen schrittweise verlängert. Wie bei jedem anderen Arzneimittel sind auch bei Homöopathika die Angaben in der Packungsbeilage zu beachten.
Übelkeit und Erbrechen
Schwangerschaftsübelkeit (Nausea) und Schwangerschaftserbrechen (Emesis und Hyperemesis gravidarum) sind in der Regel auf die Frühschwangerschaft beschränkt. Rund 50 % aller Schwangeren leiden unter morgendlicher Übelkeit, die Hälfte der betroffenen Frauen klagt wiederum über Erbrechen nach dem Aufstehen. Halten Übelkeit und Erbrechen den ganzen Tag über an, spricht man von Hyperemesis gravidarum. Besteht dieses Problem über einen längeren Zeitraum, kann es zu Störungen der Nahrungsaufnahme mit Gewichtsverlust und Problemen im Wasser- und Elektrolythaushalt kommen. Fast immer ist der Spuk spätestens nach drei Monaten, also ab der 13. Schwangerschaftswoche, vorbei. Geeignete homöopathische Arzneimittel können u.U. Colchicum (Herbstzeitlose), Ipecacuanha (Brechwurzel), Nux vomica (Brechnuss), Iris (Schwertlilie), Lobelia inflata (Lobelie), Sepia (Tintenfisch), Symphoricarpus racemosus (Schneebeere) und Tabacum (Tabak) sein.
Sodbrennen in der Schwangerschaft
Sodbrennen tritt überwiegend im letzten Drittel der Schwangerschaft auf und ist in erster Linie auf den Druck zurückzuführen, den das wachsende Kind auf die inneren Organe ausgeübt und wodurch der Magen etwas nach oben verschoben wird. Eine weitere Ursache ist der erhöhte Progesteron-Spiegel während der Schwangerschaft, der zu einem verminderten Tonus der glatten Muskulatur führt, wodurch es zu einem Reflux des Mageninhalts in die Speiseröhre kommen kann. Hilfreiche Homöopathika seien Capsicum (Paprika), Carbo vegetabilis (Holzkohle), China (Roter Chinarindenbaum), Iris (Schwertlilie), Nux vomica (Brechnuss), Phosphorus (Gelber Phosphor) und Robinia pseudoaccacia (Falsche Akazie).
Obstipation
Verstopfung gehört zu den häufigsten Beschwerden in der Schwangerschaft und ist ebenfalls auf das Hormon Progesteron zurückzuführen, dass die Darmmotilität vermindert und zu einer Verlängerung der Darmpassage führen kann. Hier können laut Aussage verschiedener Websites folgende Homöopathika helfen: Alumina (Aluminiumoxid), Bryonia (Rotbeerige Zaunrübe), Collinsonia canadensis (Grießwurzel), Lycopodium (Bärlapp), Nux vomica (Brechnuss) und Sepia (Tintenfisch).
Venenprobleme bei Schwangeren
Das Venensystem ist während einer Schwangerschaft besonderen Belastungen ausgesetzt. Durch das Hormon Gestagen kommt es zu einer Erweiterung der Venen, die durch die vermehrte Flüssigkeitseinlagerung während einer Schwangerschaft einem erhöhten Druck standhalten müssen. Auch rein mechanische Faktoren wie die vermehrte Kompression der großen Beckenvenen durch den wachsenden Uterus können beispielsweise die Entwicklung von Krampfadern begünstigen, was sich überwiegend in der zweiten Schwangerschaftshälfte bemerkbar macht. Krampfaderbildungen können auch im Bereich der äußeren Genitalorgane auftreten sowie am Enddarm (Hämorrhoiden). Zu den am häufigsten verordneten Homöopathika gegen Venenprobleme gehören Aesculus (Rosskastanie), Arnica (Bergwohlverleih), Calcium fluoratum (Kalziumflorid), Collinsonia canadensis (Grießwurzel), Pusatilla (Wiesenküchenschelle) und Hamamelis (Zaubernuss). Das letztgenannte Arzneimittel ist auch für die äußerliche Anwendung als Salbe erhältlich.
Hypotonie und Kollapsneigung
Bereits vorbestehende Probleme mit niedrigem Blutdruck können sich während einer Schwangerschaft verstärken. Hochsommerliche Temperaturen, schlechte Luft und Überanstrengung können den Kreislauf zusätzlich belasten und bis zum Kollaps führen. Hier können Haplopappus (Baylahuenkraut), Tabacum (Tabak) und Veratrum album (Weiße Nieswurz) zur Unterstützung des Kreislaufs gegeben werden.
Kreuzschmerzen und Wadenkrämpfe
Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule treten vermehrt in der späteren Schwangerschaft auf und entstehen durch die veränderte Körperhaltung, Gewichtszunahme und die damit verbundene Überdehnung und Überlastung von Muskulatur, Sehnen und Bändern. Erhöhter Druck auf die Sakralnerven kann zu Schmerzen in den Beinen führen, zu Taubheitsgefühl und Wadenkrämpfen, wobei die Krämpfe häufig auch durch Magnesiummangel entstehen. Gegen diese Beschwerden kann eine ganze Reihe Homöopathika helfen: Aesculus (Rosskastanie), Cuprum metallicum (Metallisches Kupfer), Formica rufa (Rote Waldameise), Gnaphalium polycephalum (Vielköpfiges Ruhrkraut), Magnesium phosphoricum (Magnesiumhydrogenphosphat), Nux vomica (Brechnuss), Rhus toxicodendron (Giftsumach), Sepia (Tintenfisch) und Silicea (Kieselsäure).
Schlafstörungen bei Schwangeren
Schlafstörungen und nervöse Unruhe während einer Schwangerschaft können vielfältige Ursachen haben. Bereits in den ersten Wochen der Schwangerschaft kommt es durch hormonell bedingtes häufigeres nächtliches Wasserlassen zur Störung der Nachtruhe, ein Effekt, der mit Fortschreiten der Schwangerschaft meist noch zunimmt. Nicht wenige Babys lassen ihre Mütter zudem gerade nachts an ihren inzwischen lebhaften Bewegungen teilhaben. Aber auch psychische Ursachen können werdenden Müttern schlaflose Nächte bereiten wie zum Beispiel die anstehende Neuausrichtung im Leben, Partnerschaftskonflikte, Doppelbelastung durch Beruf und Schwangerschaft. Zur homöopathischen Behandlung der Probleme stehen zur Verfügung: Aconitum (Blauer Eisenhut), Cocculus (Kockelskörner), Coffea (Kaffee), Ignatia (Ignatiusbohne), Valeriana (Echter Baldrian) und Zinkum metallicum (Metallisches Zink).
Die Grenzen der Homöopathie in der Schwangerschaft
Auch wenn die Homöopathie gerne als sanfte Medizin bezeichnet wird, mit der man angeblich nicht viel falsch machen kann und Homöopathika frei verkäuflich sind, so ist die Homöopathie keinesfalls ohne Risiken. Homöopathische Arzneimittel, vor allem Potenzen bis ca. D 12, sind nicht zwangsläufig nebenwirkungsfrei. Zudem werden in der Homöopathie Toxine wie Arsen, Blei, Quecksilber oder Kadmium verwendet, die auch in homöopathischen Dosen zu chronischen Intoxikationen führen können, wenn sie über einen längeren Zeitraum und in Tiefpotenzen verabreicht werden. Gleiches gilt für Giftpflanzen, die zudem wie alle anderen Pflanzen zu allergischen Reaktionen führen können. Einige pflanzliche Inhaltsstoffe können zu einer extrem vermehrten Lichtempfindlichkeit der Haut führen (zum Beispiel Johanniskraut). Auch müssen Wechselwirkungen zwischen schulmedizinischen und homöopathischen Arzneimitteln bedacht werden.
Allgemein sollten Homöopathika, wie jede andere medikamentöse Behandlung während Schwangerschaft und Stillzeit, mit großer Zurückhaltung und nur in wirklich notwendigen Fällen eingesetzt werden. Vor der Anwendung ist unbedingt der Beipackzettel zu studieren, der Aufschluss darüber gibt, ob es eventuell Gegenanzeigen für die Anwendung während der Schwangerschaft gibt und ob ausreichend dokumentierte Erfahrungen für die Behandlung von Schwangerschaftsbeschwerden vorliegen.
Nicht ratsam ist der alleinige und kritiklose Einsatz homöopathischer Arzneimittel bei gravierenden Schwangerschaftsproblemen wie Blutungen, vorzeitigen Wehen oder drohender Fehlgeburt.
Homöopathie – nur eine große Illusion?
Hahnemanns Prinzipien, nämlich die Ähnlichkeitsregel und die Verdünnung des Arzneimittels, bis es typischerweise kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr enthält, entbehren einer soliden wissenschaftlichen Grundlage, weshalb Kritiker die Homöopathie schlicht und ergreifend als Humbug abtun. Homöopathen halten entgegen, dass der Wirkung homöopathischer Arzneimittel keine pharmakologischen, sondern energetischen Prinzipien zugrunde liegen. Es ist aber nach wie vor unklar, um welche Energie es sich handeln und wie sie zu Heilungseffekten im menschlichen Organismus führen soll.
Die Effektivität einer Behandlungsmethode lässt sich nach wissenschaftlichen Vorstellungen am besten anhand der Ergebnisse klinischer Studien beurteilen. Zu Homöopathie existieren ca. 200 kontrollierte klinische Studien, die zu höchst unterschiedlichen Ergebnisse geführt haben. Mit anderen Worten: Bis heute ist es nicht gelungen, einen wissenschaftlich einwandfreien Wirkungsnachweis der Homöopathie zu erbringen, ihre Effektivität konnte aber auch nicht zweifelsfrei widerlegt werden.
Diskussionen über Wirksamkeit und Nicht-Wirksamkeit der Homöopathie führen zwangsläufig zur Frage, ob es sich nicht um einen Placeboeffekt handelt, auf den einige Patienten ansprechen, andere wiederum nicht. Das würde zumindest erklären, warum sich die Wissenschaft so schwer tut, den Beweis für die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit zweifelsfrei zu belegen. Erschwerend wirkt, dass in der Diskussion über alternativmedizinische Behandlungsmethoden wissenschaftlich untersuchte Therapien mit bewiesener Wirkung häufig mit paramedizinischen Verfahren vermengt und die Diskussion traditionell sehr emotional geführt wird.
Patienten, die gute Erfahrungen mit der Homöopathie gemacht habe, müssen sich von derartigen Diskussionen nicht unbedingt beeindrucken lassen – und greifen oftmals eben auch auf Homöopathie in der Schwangerschaft zurück. Auch wenn die Linderung ihrer Beschwerden durch Homöopathika wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist und eventuell auf Suggestion beruht, gilt immer noch: Wer heilt, hat recht.